Prozess & Hinrichtung

 

Das unheilvolle Schicksal nahm seinen Verlauf im August 1943, als Herbst einmal in Urlaub war. Eine erneute Anzeige, in der auch endlich Taten von der Ortsgruppe verlangt wurden, gab sein Stellvertreter ohne Kommentar an die Gestapo weiter.

Wenig später, im August 1943 beim Bohneneinfahren auf der Banse, hat Emma in einer Arbeitspause zu anderen Frauen, die sich über die ständigen Fliegeralarme beschwerten, ihre übernächtigten Kinder und deren Väter an der russischen Front bedauerten, dann dem Sinne nach, gesagt:

"Wer hat denn mit diesen Angriffen angefangen? Doch wir! Das ist jetzt die Vergeltung der Engländer. Ihr seid doch selber Schuld, ihr habt den Hitler gewählt. Wer hat denn den Krieg gewollt? Doch der Führer!" Und dann weiter, auf die Entgegnung einer der Frauen, der Führer habe doch den Krieg nicht gewollt:

"Erst recht hat er ihn gewollt! Er hat es doch alles in seinem Buch selbst geschrieben, dass er alle anderen Länder klar machen wollte. Ich habe das Buch zweimal, mein Mann hat es dreimal gelesen, ich habe mir die Stellen angestrichen. Nun habt ihr den Dreck. Ihr habt den Krieg ja auch gewollt, denn ihr habt den Hitler ja gewählt!" Einem Packer, Otto Fritsche, der unten in der Scheune stand, wurde es zu viel und er rief hinauf: "Das sind die typischen Feindsenderhörer, die so reden, das hast du wohl in einer geheimen kommunistischen Zeitung gelesen!" In einem Brief an Ihren Mann benannte Emma die 5 "Spitzel" die auch gegen sie vor Gericht aussagten, mit Fritsche, Gerber, Höhn, Brause und Lindemann. Fritsche war ein junger Mann, der gern im Dorf in Uniform (SS?) paradierte, bei der NSDAP für Agitation zuständig war und erstaunlicherweise nicht zum Militär eingezogen wurde!

Am nächsten Tag, beim Roggen einsacken, erschienen dann zwei uniformierte Männer und nahmen Emma nach kurzer Rede und Gegenrede mit. Es wurde nun verstohlen diskutiert, wer sie verpfiffen haben könnte, so schlimm sei es noch gewesen, was sie gesagt habe. Wiederum einen Tag später ruht die Arbeit auf dem Gut und nacheinander wurden alle Frauen streng verhört. Viele sagten nun, dass sie wegen der lauten Landmaschinen nichts gehört hätten.. so äußerte sich auch die Mutter von Brigitte Petzold aus Altjeßnitz, die der Emma Martin ein Kapitel in ihrem gerade erschienenen Buch "Der Verrat" widmet.

Emma wurde in das berüchtigte Frauengefängnis Barnimstr., "die Barnim", in Berlin eingeliefert. Hier saß 1905 und 1915/1916 auch die berühmte Autorin und Arbeiterführerin Rosa Luxemburg ein. Während der NS Zeit diente es vornehmlich als Untersuchungshaftanstalt. Auf dem Dach des Gefängnisses befand sich eine Flak-Batterie, sodass die alliierten Flieger die Gegend besonders intensiv mit Bomben belegten. Die Insassen wurde bei Fliegeralarm nicht in Schutzräume gebracht und mussten Höllenängste ausstehen. Ab und zu wurde sie zu Verhören ins Hauptquartier der  Gestapo (Prinz-Albrecht-Str, heute Niederkirchner Str.) gebracht, aber man hat sich dort wohl mit ihr nicht viel abgegeben.

Die Mühle der perversen Justiz lief, ohne dass Emma davon viel erfuhr, geschweige denn ihre Verwandten. Unklar bzw. zweifelhaft ist, ob und wann offiziell Anklage erhoben und ob ihr ein Verteidiger beigestellt wird.  Die Hauptverhandlung wurde für den 9.Oktober 1943, schon etwa anderthalb Monate nach ihrer Verhaftung, angesetzt. Federführend war der Oberreichsanwalt Ernst Lautz, vertreten durch den ersten Staatsanwalt Dr. Heinz Heugel.

Es ist nicht bekannt, ob Emma wusste, dass sie sich in Todesgefahr befand. Sie musste vor den 1.Senat des Volksgerichtshofs, geleitet vom perversesten deutschen Juristen aller Zeiten Roland Freisler; dieses Sondergericht war 1934 von Adolf Hitler selbst geschaffen worden um politische "Verbrechen" der noch relativ unabhängigen Justiz zu entziehen. Organisation und Gerichtsverfahren waren auf schnelle Prozesse ausgerichtet, die Richter wurden von Hitler selbst ernannt, es gab keinerlei Rechtsmittel (Berufung u.ä.). Freie Wahl eines Verteidigers war unmöglich, er musste vom Gericht genehmigt werden und erhielt, wie die Angeklagten, meist erst Stunden vor der Verhandlung Kenntnis von den Anklagevorwürfen. Der damalige Reichsjustizminister und ehemalige Präsident des Gerichts, Otto Georg Thierack, sprach von einer "volkshygienischen" Aufgabe des Gerichts, es sollte die "Seuchengefahr" die von den Angeklagten ausging bekämpfen.

Am 9.10.1943 ist Verhandlung. Geladen sind 5 Zeugen gegen Emma (sie benennt sie im Brief an ihren Mann vom 29.11.43) mit "Fritsche, Gerber, Höhn, Brause und Lindemann"). Otto Fritsche und Anna Gerber geben Äußerungen von Emma "mit Bestimmtheit" (so das Urteil) wieder. Emma bestreitet die Äußerungen, "schlechte Menschen haben meine Worte umgedreht. Aber 5 gegen eine, das ist wohl leicht." schreibt sie im Brief an ihren Mann später; die Justiz sendet diesen Brief nicht ab. Die Verhandlung dauert nicht lange, einen Verteidiger gibt es nicht. "Frau Martin bestreitet es....es ist aber trotz ihres Bestreitens so gewesen." führt Freisler in seiner Urteilsbegründung (nur knapp eine Seite) aus und "Wer so bei kriegswichtiger Arbeit im vierten Kriegsjahr unsere innere Front zersetzt, dass er sagt, unser Führer sei schuld am Kriege, der ist für immer ehrlos. Er muß...mit dem Tode bestraft werden!"

Die Richter sind

Vertreter des Oberreichsanwaltes ist der 1. Staatsanwalt Dr. Heugel

Ein Amtsrat Thiele bescheinigt, als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle die Vollstreckbarkeit des Urteils. Das Gericht hat es eilig, am selben Tage werden noch mindestens 3 weitere  Verhandlungen mit Todesurteilen durchgeführt.

(zum Vergrößern anklicken)